Unternehmensleitbild auf Abwegen

IMG_0294Wofür stehen Sie, Ihre Mitarbeiter und Ihr Unternehmen?

Ein Unternehmensleitbild ist in gewisser Weise so etwas wie ein Wegweiser, der den Menschen im Unternehmen zeigen soll, worauf es wirklich ankommt und wofür das Unternehmen steht.

Letztlich sollte es hierbei klar um die zentralen Regeln, Werte und Glaubenssätze des Unternehmens gehen. Nicht mehr, aber auch nicht weniger. Reicht ja auch.

Doch an wen richtet sich ein Leitbild, und in welche Richtung sollte dieses seine volle Wirkung entfalten? Hier gehen Wunsch und Praxis oft getrennte Wege. Um zu zeigen, was ich meine habe ich ein Beispiel, das mir kürzlich zugespielt wurde.

Hierbei handelt es sich um das Leitbild einer großen, bekannten, angesehenen deutschen Hotelkette. Dieses hat, wohl im Rahmen einer Mitarbeiterschulung, folgendes Leitbild ausgerufen:

  1. WIR sind als Hoteliers Weltklasse-Gastgeber – überall.
  2. WIR sind Hoteliers mit anerkannter internationaler Präsenz – „Made in Germany“.
  3. WIR positionieren unsere Marke klar und transparent.
  4. WIR generieren Wettbewerbsvorteile durch kluge interne und externe Vernetzung (Kooperationen).
  5. WIR sind hochprofitabel und damit sehr attraktiv für Investoren.
  6. WIR stehen für proaktives Denken und Handeln sowie eine unternehmerische Chancenkultur.
  7. WIR leben eine offene Fehler- und Innovationskultur.
  8. WIR führen und steuern unsere Organisation nachhaltig.
  9. WIR sind der attraktivste Arbeitgeber in der Hotellerie.
  10. WIR orientieren uns an einer durch Vertrauen, Respekt und gegenseitige Wertschätzung gekennzeichneten Kultur.
  11. WIR stehen für schlanke Prozesse und sind agil durch dezentrale Verantwortungsübernahme.

Auf den ersten Blick klingt das alles ja sehr gut, doch eine einzige Kleinigkeit fehlt, und zwar komplett!!!

Wissen Sie, was ich meine?

Der Kunde fehlt, bzw. in diesem Fall der Gast. Angenommen, dieses Leitbild würde für Gäste im öffentlichen Raum des Hotels aushängen, was würde dieser denken, bzw. welche Botschaft würde hier ankommen?

Richtig, bei jeder einzelnen dieser 11 Punkte würde der Kunde sagen: „Und, was habe ich davon?“.

Einer meiner Kunden hatte das immer so, mit badischen Akzent formuliert: „Wo isch de Nutzen?“

Wenn wir den Fokus nun so verändern, dann wird sehr schnell deutlich, warum ein solches Leitbild, zumindest meiner Auffassung nach, nichts weiter als reine Selbstbefriedigung ist. Es heißt immer nur Wir, Wir, Wir,ohne dass der Kunde bzw. Gast in der Gleichung auftaucht.

Das wäre fast so, als wenn wir immer nur mit Produkteigenschaften argumentiert, ohne auf den Nutzen zu setzen. Bei Produkteigenschaften stellen sich Kunden ja auch bewußt oder unbewußt die Frage: „Was habe ICH davon?“

Zugegeben, dieses Beispiel mit all Aussagen passen, sind wichtig und irgendwie richtig und so letztlich auch auf sehr hohem Niveau, doch am Ende ist das immer noch ohne Sicht auf den Kunden reine Selbstbefriedigung. Nun, vielleicht wurde das ja im Workshop mit behandelt und erarbeitet, das weiß ich nicht. Doch wenn ich mir vorstelle, dass diese Aussagen zum Beispiel im Team-Raum aushängen und so immer wieder aufgefrischt werden, dann sorgen diese Aussagen immer wieder dafür, dass man sich mehr um sich selbst und weniger um den Gast kümmert.

Vielleicht kennen Sie das: Verkäufer und Verkäuferinnen, die im Kaufhaus zusammenstehen und diskutieren, und als Kunde hat man irgendwie das Gefühl, dass man mit Fragen oder Wünschen einfach nur stört. Das ist dann das Ergebnis eines Unternehmensleitbildes auf Abwegen.

Von innen nach außen oder außen nach innen?

Viele Strategien gehen vom Fokus her von innen nach außen. Das Unternehmen, seine Ressourcen und Möglichkeiten werden betrachtet, Prozesse werden aufgesetzt und optimiert und letztlich wird eine Strategie von innen nach außen hin entwickelt und man hofft, dass diese dann tatsächlich auch beim Kunden seine volle Wirkung entfaltet.

Mein Denken, mein Ansatz und mein Fokus lautet: „Denken, handeln und kommunizieren Sie KUNDISCH“. Dieser Ansatz geht also den genau umgekehrten Weg, also vom Kunden aus von außen nach innen. Dadurch wird der Kunde in den Mittelpunkt aller Denkprozesse, Handlungen und Kommunikationsschnittstellen gesetzt.

Der Vorteil dieser Sichtweise ist hoffentlich klar, denn wenn die Strategie direkt vom Kunden aus entwickelt wird, dann ist die Chance, dass diese auch ihre Wirkung genau dort entfaltet ungleich höher, als beim umgekehrten Ansatz.

Es kommt immer auf die Einstellung an

Bei allem, was wir machen und was wir von unseren Angestellten und Mitarbeitern erwarten, sind 20 % Handwerkszeug, und 80 % ist reine Einstellungssache. Die Einstellung macht also letztlich den alles entscheidenden Unterschied aus.

Die Einstellung hat einen riesigen Einfluss darauf, wie wir uns selbst, unsere Tätigkeit und unsere Kunden oder Gäste sehen. So, wie wir unsere Kunden bezeichnen, behandeln wir sie auch. Wenn Kunden als Beute gesehen werden, dann werden sie auch so behandelt. Nur leider bekommen das Kunden irgendwann mit und suchen das Weite.

Mit der richtigen Einstellung,bzw. den »richtigen« Regeln, Werten und Glaubenssätzen würden viele dieser Unternehmensleitbilder sehr viel kürzer ausfallen und KUNDISCH auf den Punkt kommen.

In vorliegendem Beispiel wäre es besser, statt Wir, Wir, Wir zu formulieren, den Gast an erster Stelle zu setzen. Hier einige Beispiele, die ich mal aus der Hüfte geschossen ins unreine formuliere:

  1. WIR sind als Hoteliers Weltklasse-Gastgeber – überall.
    Mein Vorschlag: Unsere Gäste erleben uns als Weltklasse-Hoteliers – überall.
  2. WIR sind Hoteliers mit anerkannter internationaler Präsenz – „Made in Germany“.
    Mein Vorschlag: Unsere Gäste können uns international als Hoteliers mit Gastfreundlichkeit und Qualität „Made in Germany“ erleben.
  3. WIR positionieren unsere Marke klar und transparent.
    Mein Vorschlag: Unsere Gäste erleben jeden Tag rund um die Uhr, wofür wir stehen und warum es ein Erlebnis ist, in unseren Häusern zu übernachten.
  4. WIR leben eine offene Fehler- und Innovationskultur.
    Mein Vorschlag: Fehler passieren, doch alle unsere Mitarbeiter denken in Lösungen und Innovationen, um jeden Aufenthalt unserer Gäste angenehmer zu gestalten.
  5. WIR sind der attraktivste Arbeitgeber in der Hotellerie.
    Mein Vorschlag: Unsere Gäste erleben bei uns wahre Herzlichkeit, denn wir sind der attraktivste Arbeitgeber in der Hotellerie, und unsere Angestellten zeigen, was sie können.

Wie gesagt, diese Beispiele sind Schnellschüsse aus der Hüfte. Hier und da würde ich sicherlich noch etwas feilen, doch ich denke das ich deutlich machen konnte, worauf es mir wirklich ankommt.

Fazit

Wenn Sie ein Unternehmensleitbild aufsetzen, dann stellen Sie den Kunden in den Mittelpunkt all Ihrer Aktivitäten. Denken, handeln und kommunizieren Sie KUNDISCH. Seien Sie einfach KUNDISCH, und alles wird gut.

Bis zum nächsten Mal …
seien Sie KUNDISCH,
denken Sie mit Ihrem Herzen …
geben Sie alles …
und vor allem, machen Sie es gut …

Ihr Marc Perl-Michel